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Studenten bringen Deutsche und Polen zusammen

Heimatreisen zur Völkerverständigung

Von Christoph Richter

Studenten und Absolventen der Kulturwissenschaften der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder sind als Reiseführer unterwegs. Sie begleiten Menschen, die sich auf die Spurensuche nach ihren Vorfahren und der früheren Heimat jenseits der Oder begeben. Sie wollen Begegnungen zwischen den früheren und heutigen Bewohnern fördern.

Malutko - für den Berliner Hartmut Wedde ein Ort mit einem großen und vor allen Dingen aber klingenden Namen. Von Malutko, das früher Malkendorf hieß, hat ihm seine mittlerweile verstorbene Mutter viel erzählt. Und immer leuchteten irgendwie ihre Augen dabei, erzählt er. Jetzt möchte Hartmut Wedde ihn kennen lernen, den Ort der Jugend seiner Mutter. Das Einzige, was der 47-Jährige von Malutko hat, ist ein vergilbtes Foto.

"Und hier, das ist die Landwirtschaft meiner Großeltern. Also das ist das Wohnhaus, und hier ist der Stall, und hier sind so die Wohnungen der Leute. Es ist schwierig dort hinzufinden. Aber dort hatten meine Großeltern eine Landwirtschaft, und ich wollte mal in die Landschaft fahren, um mir das anzusehen, wo meine Vorfahren her sind."

Und deswegen hat der Berliner Holzfäller jetzt eine Reise gebucht: Mit "Heimatreisen", einer studentischen Initiative der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder. Studierende begleiten Menschen in die Heimat ihrer Vorfahren. Davon gehört hat er zum ersten Mal, kurioserweise, von polnischen Freunden. Hartmut Wedde ist fasziniert von der Idee, dass er sich auf die familiäre Spurensuche begeben kann und dabei ganz persönlich begleitet wird, nicht im klimatisierten Bus und nicht zusammen mit Menschen, die von vornherein ihre Klischees im Kopf schon zementiert haben.

Obwohl Malutko nur 20 Kilometer hinter der Grenze liegt, in der früheren Neumark, das einst zu Brandenburg gehörte, liegt es Welten entfernt. Für die Initiatoren von "Heimatreisen", allesamt Studierende oder Absolventen der Viadrina, jedoch kein weißer Fleck auf der Landkarte.

"Oft ist es so, dass wir die Orte schon gut kennen, sei es durch ein Auslandssemester, ein Praktikum oder aus persönlichem Interesse. Wir fahren dahin, erkundigen uns, wo der konkrete Ort ist, der gesucht wird, die konkrete Straße, das konkrete Gebäude. Das recherchieren wir alles im Vorfeld, das ist auch die Hauptarbeit an dem ganzen Projekt",

erzählt Mateusz Hartwich, einer der Reiseführer. Der 27-Jährige kommt aus Polen und ist Doktorand an der Viadrina. Im Mittelpunkt steht die Begegnung zwischen den früheren und den heutigen Bewohnern, die meist eine ähnliche Biografie haben. Menschen, die östlich der Oder wohnen, sind oft zu großen Teilen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten zwangsumgesiedelt worden. Aber noch ein weiterer Aspekt ist wesentlich, fügt Mateusz Hartwich hinzu:

"Es ist einerseits ein Stück Realität, mit dem man dort arbeitet, es ist persönlich sehr bereichernd, diese Treffen zu machen, man lernt sehr viel, was das Handwerk des Historikers angeht, diese Recherchen. Sozusagen erwirbt man auch interkulturelle Kompetenz. Es ist vor allem, aber nicht nur Idealismus. Es geht auch darum, dass man konkrete Fähigkeiten erwerben kann, und dass man einfach das historische Wissen, dass man hier an der Universität im Studium erworben hat, konkret anwenden will."

Im letzten Jahr haben sich zwölf Studierende die Initiative "Heimatreise" ausgedacht. Zu dieser Zeit lies das Vertriebenenzentrum die Emotionen beiderseits der Oder hochkochen. Der Anspruch der Studenten ist es jedoch, der Debatte eine ganz andere, undogmatische und menschliche Note zu geben.

Die Kontaktaufnahme ist einfach. Man ruft an, macht einen Termin aus, und erzählt was man weiß, was man möchte. Dann fangen die Reiseführer an zu recherchieren. Wie sie dann auf die Menschen in Polen zugehen, das erläutert Mateusz Hartwich.

"Naja, die erste Reaktion ist zurückhaltend. Wichtig ist, dass man sie persönlich anspricht, und nicht aus dem Hinterhalt fotografiert. Das sollte man nicht machen, das gebiert sich nicht. Man sollte sie am Besten auf Polnisch ansprechen, man erklärt ihnen, worum es geht, man erklärt ihnen, dass es nicht um irgendwelche Forderungen geht, eben um eine ganz konkrete Person, die hier mal gewohnt hat, und dahin noch mal möchte, und dass man vielleicht ins Haus möchte."

In Polen stößt die studentische Initiative auf Begeisterung. Auch bei der 70-jährigen Mariana aus Kunowice, dem früheren Kunersdorf, ein Dorf kurz hinter Frankfurt.

"Es ist wichtig, dass es so was gibt, schließlich kommen so die Polen und Deutschen zusammen. Schließlich gibt es auch einen deutschen Papst, der zur Einheit aufruft. Und es gibt ein Gott, an den wir alle glauben. Jung und Alt, alle sollen miteinander reden und zusammenkommen."

Haben Sie Interesse an einer HeimatReise?

Text © 2006 Deutschlandradio Foto © Caroline Mekelburg

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