Zu Fuß durch Geschichte und Gegenwart von Sternberger Land und Ziemia Lubuska, 18.-19. Juli 2009
Samstag früh wären einige von uns dann doch gerne im Bett geblieben und hofften insgeheim auf eine kurzfristige Absage unserer Wochenendreise wegen des starken Regens letzte Nacht. Aber Petrus meint es gut mit uns und schon auf der Anfahrt von Frankfurt nach Bledzew/Blessen blinzelt die Sonne einige Male durch die Wolken.
Fünf
Erwachsene und zwei Kinder bilden unsere kleine und feine Wander- und
Pilgergruppe. Erster Programmpunkt ist ein kurzer Vortrag auf dem
Marktplatz von Bledzew/Blessen über die Kolonisierung dieser Gegend,
ausgehend durch sieben Zisterziensermönche aus der Lausitz um die erste
Jahrtausendwende. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich der Ort
zur Stadt und das Kloster wuchs zu einer Anlage mit einer Front von 260
Metern. Bis die preußischen Behörden 1835 den Orden auflösten und das
Kloster versteigerten. Es diente dann als Steinbruch und wurde
vollständig abgerissen. Heute erinnern nur noch der Marktplatz und die
Kirche an die einstige Bedeutung, Bledzew ist zu einem beschaulichen
polnischen Dorf geworden.
Unseren ersten Stempel in den Pilgerpass
und viele Auskünfte gibt uns die Haushälterin des Priesters und nach
einer Besichtigung der Kirche mit einer Reihe wertvoller Überbleibsel
des Zisterzienserklosters wandern wir auch schon los.
Mit der Jakobsmuschel durch polnische Dörfer und ganz Europa zu sich selbst
Vor
einem Wegkreuz erfahren wir einiges Interessantes über das Pilgern zum
Grab des Apostels Jakobus des Älteren in Santiago de Compostela. Das
Wichtigste ist der Aufbruch zur Pilgerschaft, und nicht das Ankommen am
Ziel in Spanien! Der Pilgerstab mit der Jakobsmuschel wird auf
Augenhöhe gehalten, das hebt den Blick und zeigt den Weg. Ein Netz von
Jakobswegen durchzieht seit dem Mittelalter ganz Europa. Unseren Weg
durch die Wojewodschaft Lubuski, also das ehemalige Ostbrandenburg
erforschte eine von Professor Knefelkamp geleitete Projektgruppe der
Europauniversität Viadrina. Aber dieser Weg ist noch nicht mit der
Jakobsmuschel markiert, weil sich die Gemeinden und Landkreise bisher
nicht auf seinen genauen Verlauf einigen konnten. Das soll aber unsere
Jakobswanderung nicht behindern und so ziehen wir durch die Wälder, bis
wir nach ca. 9 Kilometern auf der halben Tagesetappe den Ort unserer
Mittagsrast erreichen. Das ist das verlassene Dorf Pniewo/Osterwalde,
dessen Früchte aus den verwilderten Obstgärten unser Pilgerpicknick
bereichern.
Am
Nachmittag erreichen wir, gut gelaunt und gar nicht erschöpft
Lubniewice/Königswalde, einen bekannten kleinen Ferienort mit
abendlicher Disco, Badeseen und Sandstränden, die wir natürlich sofort
ausprobieren. Untergebracht sind wir in einer Pension direkt am Markt.
Abends machen wir einen Stadtspaziergang und besuchen die heilige Messe
in der Kirche. Unser Reise- und Wanderleiter Matthias Diefenbach
übersetzt uns später aus dem Polnischen das Thema der Predigt, über das
wir noch länger sprechen und nachdenken: Das Wichtigste in unserem
Leben sind nicht unsere Arbeit und unsere Träumereien. Gott befahl uns
den Sabbat, den Ruhetag, damit wir über uns nachdenken. Und zwar nicht
über unser neues Auto oder wie wir den Urlaub finanzieren, sondern über
den Sinn des Ganzen und was wir im Leben wirklich wollen. Nun bricht
die Pilgerzeit an, sagt der Priester. Das ist die beste Gelegenheit dem
Alltagstrott und dem Stress zu entkommen, sich den philosophischen
Fragen zu stellen und dann in sich gefestigt und sicherer in dem was
man will, an unsere täglichen Verrichtungen zurückzukehren.
Wildromantische Wanderung
Die
zweite Tagesetappe am Sonntag ist mit ca. 24 Kilometern etwas länger,
aber nicht zu lang. Lubniewice trägt zu Recht den Titel einer
ökologischen Kleinstadt. Wir laufen durch eine ganz ursprünglich
scheinende Natur. Die Landschaft ist viel wilder als gestern, die Hänge
am See sind steil und der Pfad schlängelt sich durch Mischwälder
entlang des Jezioro Lubniewsko/Ankensees. Mittag machen wir in einer
Hütte auf dem Wasser und legen eine ausgiebige Badepause ein. Es gibt
sogar ein Sprungbrett direkt in den 240 Hektar großen See und Wasser
erster Güte.
Weiter
wandern wir durch eine tief eingeschnittene wildromantische Schlucht,
an erratischen Granitfelsen vorbei und über einen verfallenen jüdischen
Friedhof zur Kreisstadt Sulecin/Zielenzig. Hier empfängt uns der junge
Priester Piotr Mazurek mit dem schönsten und letzten Stempel für unsere
Pilgerpässe auf dieser Reise. Er ist selber ein begeisterter
Jakobspilger und fuhr mit sieben Gemeindemitgliedern per Fahrrad über
den schlesischen Jakobsweg von Jakubow nach Görlitz. Gewitterwolken
ziehen erst wieder zu unserer Rückfahrt nach Frankfurt auf. Am Ende der
Reise waren alle froh darüber, dass sie doch aus dem warmen Bett
gekrochen sind!
Fazit
Die
Wochenendreise „Wanderung auf Jakobswegen östlich der Oder“ wurde vom
Frankfurter Reiseveranstalter HeimatReise sehr gut vorbereitet,
geleitet und mit kompetenten inhaltlichen Kurzvorträgen komplettiert.
Zu Fuß, mit offenen Augen und in den gedolmetschten Gesprächen mit
Einheimischen kann man unglaublich viel über Geschichte und Gegenwart
unserer Nachbarregion auf der anderen Oderseite erfahren. Und es gibt
eine tolle Landschaft mit vielen schönen Badegelegenheiten zu
entdecken! Die Wanderetappen waren gerade so, dass weder die Kinder
überfordert, noch die Wanderprofis unterfordert wurden. Und auch Zeit
für sich und Gespräche mit den Anderen blieb. Wir freuen uns alle auf
die nächsten Wochenendwanderungen auf weiteren Teilstrecken von
Jakobswegen östlich der Oder!
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen